10.04.2013

Kläglich versagt......

als Mensch habe ich damals, Mitte der 90er Jahre etwa.
Im Café meines Mittagspausenvertrauens saß ich und wurde Zeuge eines Notfalls. Ein junger Mann, na eher ein Jugendlicher; wohl gerade aus dem Krankenhaus entlassen, denn er war mit reichlich Verwandtschaft unterwegs, noch nicht so ganz fit und aus den Gesprächsfetzen heraus zu hören waren immer mal bedauernde Worte und "das wird schon wieder" etc.

Eine Familie mit Migrationshintergrund, laut, Raum einnehmend und dadurch schon im Fokus der um sie herum sitzenden anderen Cafébesucher. Also kein Fall von, im Verborgenen ist was passiert, aber so genau hab ich es nicht mitbekommen.

Plötzlich verdreht der junge Mann die Augen und bekommt einen Krampanfall oder epileptischen Anfall; ich bin ja kein Mediziner, und damals war mir die Medizin ja noch viel ferner als heute.
Er war auf jeden Fall irgendwie abwesend und fiel dann auch mehr oder weniger von der Bank; seine Mutter hielt ihn und schrie immer nur "Mein Sohn, was ist mit meinem Sohn"
Die anderen am Tisch scharten sich um die zwei, er wurde auf den Boden zwischen den engstehenden Tischen gelegt und krampfte da weiter.

Und ich? Ich sass wie erstarrt ein paar Tische weiter und war völlig gelähmt. Im Kopf wusste ich genau, was zu tun wäre: die Tische und Stühle wegstellen, damit genug Platz war, falls der junge Mann um sich schlagen würde und damit er genug Luft bekäme. Vorne am Thresen Bescheid sagen (das war immerhin in noch handylosen Zeiten), dass sie den Notarzt alamieren sollen, die Verwandten beruhigen, einen anderen Menschen vorne am Eingang postieren, damit er den Weg weisen kann.

All das ging mir im Kopf herum; aber dass ich die Initiative ergriffen hätte? Nein! Feige und "Oh Gott, hoffentlich tut einer was"-gelähmt packte ich zusammen - zum Glück hatte dann tatsächlich einer den Notarzt alamiert - und ging.
Innerlich heulend über so viel Feig- und Unfähigkeit. Das hat mich doch so tief angegriffen, dass die Szenerie mir nach 20 Jahren noch genauso präsent ist wie heute.

Eine Konsequenz habe ich daraus gezogen; als mal wieder bei uns gefragt wurde, ob nicht jemand den Kurs zum Ersthelfer machen wolle, habe ich mich gemeldet und ihn dann auch in regelmäßigen Abständen immer wieder aufgefrischt.

Danach hatte ich tatsächlich zweimal die Gelegenheit, bei uns zwei Menschen zu helfen; natürlich war die Unsicherheit da; der Schreck fuhr mir in die Knochen, als das erste Mal der Anruf kam "Du musst kommen, einer jungen Studentin geht es schlecht" , aber zum Glück war noch nichts passiert, ich konnte sie in einen schnell rekrutierten Übungsraum bringen und dort für besserung sorgen. Sicherheitshalber riefen wir den Krankenwagen, als sie uns sagte, dass sie schwanger wäre; obwohl sie es zuerst nicht wollte.
Auch der zweite Fall, ein junger Dozent, der plötzlich zusammengeklappt war, war nicht sehr begeistert, als ich gerufen wurde und wollte sich zuerst nicht "behandeln" (doofer Ausdruck, denn behandeln kann ich ja nix) lassen, aber nachdem er das zweite Mal zusammengeklappt ist, habe ich auch wieder den Krankenwagen gerufen.
Vielleicht lag es daran, dass ich im Studentenalter nicht so als kompetente Person rüberkam, oder er als Dozent der juristischen Fakultät es nicht gewohnt war, einem studentenähnlichen Individuum Folge zu leisten.

Momentan bin ich "ausser Dienst", aber sobald ich wieder fit genug bin, mache ich nicht nur wieder den nächsten Auffrischungskurs, sondern dann endlich auch die Weiterbildung zum Sanitäter.

Drückt mir die Daumen....