oder sollte sich das Vergessen im Nachhinein als Nachteil erweisen?
Fakt ist, dass ich an den Unfall keinerlei Erinnerung mehr habe; ja es fehlen ganze Teile des Tages. So war es mir bisher nicht möglich, mich aktiv an das zu erinnern, was ich anhatte. Nur durch das Fehlen bestimmter Kleidungsstücke kann ich heute nachvollziehen, was es war.
Gut, nicht dass das besonders wichtig ist, aber was mir fehlt ist das Erleben des Unfalls. Der Grund für meine Situation heute und des letzten halben Jahres.
Nur die Aussage "Du hattest einen schweren Unfall" und die Bilder von meinem zerstörten Auto, die Filme auf Youtube und Polizeiberichte beweisen mir, dass ich tatsächlich einen Unfall hatte.
Und natürlich meine Verletzungen. Aber die hätten genausogut von einem Absturz, Treppensturz, Fahrradunfall etc. stammen können; rein erinnerungsmäßig.
Es fehlt der Grund, die Ursache, das Schmerzerlebnis.
In einem Moment fährst Du entspannt auf der Landstrasse und im nächten Moment liegst Du eingegipst und bewegungsunfähig in einem Klinikbett.
Der Grund dafür und die Zeit vom Unfall bis zu diesem Realisierungsmoment (immerhin 8 Tage) sind einfach nicht existent. Auch danach liegen die Tage im Nebel, mal mehr, mal weniger, je nachdem.
So kann ich mich heute nicht mehr daran erinnern, wann ich das erste Mal den ersten Besuch wahrgenommen habe. Dass meine Familie in der ersten Woche vollständig an meinem Bett versammelt war, daran kann ich mich nicht erinnern. Stimmen, das Gefühl, dass ich einmal Nahrung über eine Sonde bekommen habe und dass ich geredet habe; das sind die einzigen Erinnerungen an diese Woche. Aber keine Bilder, obwohl ich meine Augen geöffnet gehabt hatte.
An die zahlreichen Operationen habe ich ebenfalls keine Erinnerung. Weder an die des Sprunggelenks, noch an die des Oberschenkels oder Unterarms. Auch die Halskrause, die ich tragen musste, ist mir heute nicht mehr erinnerlich.
Auch das Erwachen auf der Normalstation; plötzlich war ich da. Nicht dieses melodramatische mit den Augen blinzeln und langsam zu sich kommen. Nein, irgendwann setzt die Erinnerung wieder ein, einfach so. Ob ich davor schon wieder bei mir war und nur durch die starken Schmerzmedikamente zu benebelt war; keine Ahnung.
Vielleicht verdrängt das Gehirn diese schwammige Zeit des Halbdämmerns gnädigerweise. Als Selbstschutz sozusagen.
Aber das Erinnern, oder wenigstens Schmerz sind ein wichtiger Indikator für das Empfinden und Begreifen eines solch traumatischen Geschehens. Wenigstens für mich.